Welche Probleme Zuckerrohranbau mit sich bringt

Von Michael Krämer · · 2023/Sep-Okt

Warum der Zuckerrohranbau in El Salvador so nicht fortgeführt werden darf. Bernardo Belloso und Amalia López von der Kampagne „Bitterer Zucker“ im Interview.

Welche Bedeutung haben der Anbau und die Verarbeitung von Zuckerrohr in El Salvador?

Belloso: El Salvador ist mit einer Fläche von nur rund 21.000 Quadratkilometern ein sehr kleines Land. Doch bezogen auf die Größe und die Einwohner:innenzahl (rd. 6 Mio., Anm. d. Red.) produziert es mit mehr als 800.000 Tonnen sehr viel Zucker und ist damit der zweitgrößte Zuckerproduzent in Zentralamerika. Die Anbaufläche beträgt mehr als 80.000 Hektar. Zu mehr als fünfzig Prozent wird der Zucker exportiert: immer mehr nach China, aber auch in die EU und in die USA.

Sprechen wir über Probleme, die mit dem Zuckeranbau verbunden sind. Wie steht es um den Einsatz von Agrargiften?

López: Vor allem Paraquat und Glyphosat werden in großen Mengen eingesetzt, als Herbizid, aber auch als Reifungsmittel. Glyphosat wird aus der Luft auf die Felder gesprüht, wobei die umliegenden Gemeinden immer wieder in Mitleidenschaft gezogen werden. Es wird aber auch das Wasser kontaminiert.

Dies ist aber nicht das einzige Problem im Zusammenhang mit dem Thema Wasser, oder?

Belloso: Es gibt noch viel schwerwiegendere Probleme. Etwa der übermäßige Wasserverbrauch für die intensiv bewässerten Zuckerrohrfelder.

López: Auch für die großen Städte gibt es immer weniger Wasser, vor allem in den Armenvierteln bleiben die Wasserhähne immer öfter trocken.

Und wie steht es um die Niereninsuffizienz?

Belloso: Allein im Landkreis Tecoluca, wo ich arbeite, waren 2022 mindestens 400 Personen an Niereninsuffizienz erkrankt und mindestens 20 sind daran gestorben. Es ist offensichtlich, dass das mit dem hohen Einsatz von Agrargiften zusammenhängt.

Seit 2021 gibt es die Kampagne „Azúcar Amarga“ („Bitterer Zucker“). Was bezweckt sie?

López: Nicht der Anbau an sich ist das Problem, sondern die großen Monokulturen und der rücksichtslose Umgang mit den Menschen und mit der Natur. Wir wollen die breite Öffentlichkeit über die Situation in den Zuckerrohranbaugebieten informieren. Und darüber aufklären, dass Zucker höchst ungesund ist, wenn er in so großen Mengen konsumiert wird, wie dies in El Salvador der Fall ist.

Welche Ziele hat die Kampagne sonst noch?

Belloso: Erstens geht es darum, uns gegenüber politischen Entscheidungsträgern für Gesetze und eine Politik einzusetzen, die einen besseren Schutz der Umwelt und der Wasserquellen garantieren. Zweitens wollen wir Beschwerdemechanismen schaffen. Menschen in den Zucker-
anbaugebieten sollen sie nutzen können, wenn in ihren Gemeinden etwas passiert, das die Umwelt schädigt oder Bewohner:innen in Gefahr bringt.

Wir müssen zudem ein weiteres Problem angehen: Zuckerunternehmen eignen sich auch Ländereien an, die Gemeinden oder Kooperativen gehören, aber vorübergehend brachliegen.

Kampagnenarbeit unterstützen!  

Der Anbau von Zucker hat in Zentralamerika bedrohliche Folgen für Umwelt und Menschen: Zehntausende Menschen leiden etwa an schweren chronischen Nierenerkrankungen, vor allem rund um die Zuckerrohr-Plantagen. Auch in El Salvador, wo sich die Menschen nun mit der Kampagne „Bitterer Zucker“ gegen die Zuckerindustrie wehren.

Bitte helfen Sie der Kampagne in El Salvador mit einer Spende. Dies geht über die Berliner NGO Inkota. Ihre Spende an:

INKOTA-Netzwerk
IBAN DE06 3506 0190 1555 0000 10
BIC GENODED1DKD
Spendenstichwort: Bitterer Zucker

Ist die Regierung von Präsident Nayib Bukele denn gesprächsbereit?

Belloso: Es ist nicht einfach. Vor allem wenn es darum geht, Gesetze zu verabschieden, die den Zuckersektor besser regulieren. Die großen Zuckerunternehmen haben eine viel größere Nähe zur Regierung.

Welche Rolle spielt denn der Ausnahmezustand, den die Regierung El Salvadors im März 2022 verhängt hat und Monat für Monat verlängert?

Belloso: Der Ausnahmezustand ist meines Erachtens auch ein Instrument, um die Organisation der Gemeinden zu zerschlagen und zu verhindern, dass deren Bewohner:innen sich gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung wehren.

Interview: Michael Krämer

© privat

Bernardo Belloso arbeitet für den Gemeindeentwicklungsverband Cripdes vor allem in der Küstenregion Bajo Lempa, einem Hauptanbaugebiet von Zuckerrohr. Dort lebt er auch.

© privat

Amalia Carolina López arbeitet bei der salvadorianischen Umweltschutzorganisation UNES,unter anderem für die Kampagne „Azúcar Amarga“.

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